Kinder Einkaufstasche zum wenden

Meine Tochter hat mich beim Nähen beobachtet und als ich die Beschreibung ihrer Beobachtungen gelesen habe, fand ich die so treffend, dass das unbedingt auch einen Platz auf der Seite haben musste.

Leise und fröhlich vor sich hin summend saß Claudia vor ihrer Nähmaschine und nähte eine kleine Tasche für ihr Patenkind. Kindisch, wie sie selbst war, wählte sie ein Augenkrebs erzeugendes Muster, welches voll von Piratenflaggen, Totenköpfen und Augenklappen war.

Zum Glück, sollte es eine Kindertasche werden, denn Kinder freuen sich oft über alles. Vor allem ihr Patenkind, da es im absoluten Piratenwahn steckte, würde gerade diese Tasche sehr erfreuen.

Eine Naht nach der anderen wurde die Tasche immer taschiger.
Nein – um ehrlich zu sein, nein, wurde sie nicht!

Es waren vier aneinander genähte Fetzen, die immer mehr aneinander genäht wurden. Taschen sehen immer lange noch sehr hässlich aus, bis zu dem magischen Punkt, an dem man sie umdreht.

Claudia freute sich immer darauf zu sehen, wie plötzlich die Tasche zur Tasche wurde, nachdem man sie wendete. Oft war auch das der Punkt, an dem sie merkte, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Manches Mal war es nicht schlimm, andere Male musste sie den Fehler, wenn er wirklich nicht zu korrigieren war, irgendwie geschickt verstecken und noch gelang es ihr immer.

Dennoch war es ein spannender Moment, die Tasche zu wenden.

Entweder würde sie begeistert aufhören, ihre Melodie zu summen und ihr zum Leben erwachtes Geschöpf bewundern oder deprimiert ihren fehlerhaften Stoffmissbrauch anstarren, in der puren Hoffnung der Fehler würde aus Angst vor ihr fliehen.

Die letzte Ecke wurde festgenäht und sie wendete die Tasche. So weit so gut.

Mit Vorfreude und doch Spannung zugleich schaute sie auf ihre Hände, als sie zuletzt das Innenteil ins Äußere stopfte. Ihre Melodie hörte auf, setzte kurz danach noch fröhlicher erneut ein und sie stand vor einer Augenkrebs erregenden Piratentasche mit stechend-roten Henkeln und war wunschlos glücklich.